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D e r   O r t   u n d   s e i n   G e i s t

Konitz

Jiří G.K. ŠevčíkKonitz – Anmerkungen zur Geschichte, 2009

Einleitung

Besondere Umstände ergaben, dass ich nach Konitz (Konice) an den Südhang des Kuhberges, hinter den Fluss Thaya, südlich von Znaim kam.

In diesem kleinen Dorf, gefiel es mir so gut, dass ich dort ein unansehnliches Bauernhaus mit einem Weingarten kaufte. Leute, denen ich dort begegnete, versicherten mir auf typisch tschechische Art, dass die von mir geplante Rekonstruktion des Anwesens mit geräumigen Kellern wirklich der Mühe wert ist: „ Solche Ruine würde ich nicht einmal gratis nehmen .., um Gotteswillen so viel Arbeit.., wozu brauchst du das? .., dass du nicht darauf pfeifst …. usw.“  Bei einer der ersten Besichtigungen des ausgewählten Anwesens bemerkte ich einen Stein mit der eingemeißelten Jahreszahl 1737. Das weckte in mir Interesse am Schicksal der ursprünglichen Bewohner dieses Anwesens, die sowohl noch die Fronarbeit als auch Napoleonische Kriege, die Entstehung und den Untergang von Österreich-Ungarn, die Tschechoslowakische Republik, Sudeten und Protektorat und zum Schluss die Vertreibung im Jahre 1945, die definitive Unterbrechung der langjährigen Kontinuität, das Ende aller guten und schlechten Jahre in Konitz, in einer Mikrowelt der täglichen großen und kleinen Sorgen und Freuden miterlebt hatten.

Die Historie des 20. Jahrhunderts von Südmähren, also auch die von Konitz, ist durch tiefes Misstrauen zweier Ethnika gekennzeichnet, welches die Bemerkung von N. Machiavelli widerspiegelt: „Wenn als eine Folge der Zufälligkeiten eine Situation entsteht, dass das Volk niemandem vertraut, weil es in der Vergangenheit durch Leute oder durch die Umstände betrogen wurde, dann ist diese Nation unaufhaltsam auf dem Weg in die Hölle“. Die historischen Dogmen des 20.Jahrhunderts sind gleichzeitig Halbwahrheiten und Halblügen. Deren Folgen sind keine gebrochenen Talsperren, havarierende Flugzeuge oder schlechter Fernsehempfang, sondern durch nationalistisches Gedankengut vergiftete Seelen. 

Ich vermute, dass es während des 20. Jahrhunderts zur Vernichtung der Mechanismen kam, die die gegenwärtigen Erkenntnisse mit den Erfahrungen der früheren Generationen verbunden hatten. Die Mehrheit der heutigen jungen Leute lebt im Zustand der permanenten Gegenwart und es fehlt ihnen die natürliche Verbindung mit der eigenen Vergangenheit. Historische Halbwahrheiten und Halblügen hörten auf, für sie eine Bedeutung zu haben, was deren langzeitiges Überdauern ermöglicht.

Das Desinteresse an wahrhaftigerer Erkennung der Geschichte, könnte ein Schlüssel zur unerwünschten Rückkehr der Herrschaft des Großen Bruders sein („Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht auch die Zukunft“; G. Orwell, 1984). Auch deshalb diese Publikation.

Mein eigenes Schicksal, die Emigration, langjähriger Aufenthalt im Ausland und die Rückkehr, der Wechsel der ethnischen und sprachlichen Umgebung führten mich zu der Überzeugung, dass der Grundstein jeglichen Erfolges des Einzelnen und auch der ganzen Gesellschaft, vor allem das eigene Engagement ist, so wie die Aussage (Losung) von J.F. Kennedy lautet: . “Frage nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern was du für den Staat tun kannst“.  Deshalb tue etwas.

Vorliegende Publikation über Konitz ist keine historische Studie, sondern nur ein Versuch zur Klärung der Motive, die zur Besiedlung dieses kleinen Gebietes führten und Erkenntnisse zu veröffentlichen, welche die tradierten Halblügen einschränken. Der Text der Anmerkungen zur Geschichte von Konitz ist in drei Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel widmet sich den globalen, sozialpolitischen Bedingungen, die das Leben in der großen Gemeinschaft von Nationen des Österreichisch-Ungarischen Kaiserreiches bestimmten. Das zweite Kapitel ist der Gemeinde Konitz und das Dritte dem Schicksal eines einzelnen Anwesens gewidmet, das ununterbrochen für 208 Jahre der Familie Fastenbauer, die mein Interesse weckte, gehört hatte.

Bei  meinen Anmerkungen gehe ich von der Überzeugung aus, dass die Historie nicht nur eine Ansammlung der Jahreszahlen ist, sondern dass sie auch einen sozialen Charakter hat, eng mit dem Leben der Menschen und mit den Bedingungen zum Leben in der bestimmten Region verbunden ist. Deshalb wird die Aufmerksamkeit auch auf die Preise der Waren und Dienstleistungen, welche die Rentabilität der Investition garantieren mussten, gerichtet.

Vorliegender Text drückt auch meine Bewunderung für  alle Menschen in der Vergangenheit aus. Für unsere Vorfahren, die sich einst mit 14 Meter langen Balken plagten, sie transportierten sie mit großer Mühe, ich weiß nicht wie und ich weiß nicht woher, um aus ihnen ein 11 Meter hohes Scheunendach zu bauen. Ich spreche die Bewunderung auch den Leuten aus, die 10 Meter unter der Oberfläche insgesamt 1000 Kubikmeter Erde für die Keller ausgruben, in einer Zeit in der nur ein Flaschenzug und ein Hebel als mechanische Werkzeuge bekannt waren.

Die tschechische und deutsche Ausgabe der Publikation ist mein persönlicher Beitrag zur Eröffnung des noch nicht existierenden Dialoges zwischen den neuen Bewohnern des Znaimer Landes und den Nachfolgern der ehemaligen Bewohner von Konitz. Es ist ein Versuch, die Spitzen des fast hundert Jahre andauernden Misstrauens und der Verdächtigung abzubrechen und ein gemeinsames Erinnern über den alten Fotoalben, ein gemeinsames Zuhören darüber, was einmal war, wo was wuchs, wo sich die Geliebten trafen, zu ermöglichen und endlich sich gemeinsam zu entscheiden, wohin wir gehen, um ein Gläschen guten Weines zu trinken.

 Kommen Sie, um zu plaudern. Wir fangen an.  


Konitz - 1937
                                                                         Ansicht von Konitz um 1937                    Archiv M. Klimtová

© Jiří G.K. Ševčík, Praha 2009
    Übersetzung: Karel Jakl, Wien 2009

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